Forschungsstand

Aufgrund des weit verbreiteten Adipositasstigmas, den daraus resultierenden Diskriminierungserfahrungen von Menschen mit Adipositas in vielen Lebensbereichen und den vielfältigen negativen Begleiterscheinungen für die Betroffenen ist die Reduktion der gewichtsbezogenen Stigmatisierung von großer Bedeutung, nicht zuletzt auch im Kontext der zunehmenden Verbreitung der Adipositas. Entsprechend einer Übersichtsarbeit von Lee und Kollegen (2014) steckt die Stigmareduktion im Bereich der Adipositas aber noch in den Anfängen. Es besteht also weiterhin ein großer Bedarf nach wirkungsvollen Strategien zur Reduktion der gewichtsbezogenen Stigmatisierung (Puhl et al., 2017).

Stigmatisierende Einstellungen gegenüber Adipositas treten zumeist im Kontext von Überzeugungen auf, Betroffene seien allein verantwortlich für ihr erhöhtes Gewicht. Verschiedene einfache Maßnahmen zur Stigmareduktion zielten daher auf die Veränderung derartiger Überzeugungen ab (Lee et al. 2014), indem sie beispielsweise über die biogenetischen Ursachen von Adipositas informierten, um die alleinige Zuschreibung der Adipositas auf ein Fehlverhalten der Betroffenen selbst in Frage zu stellen. Die Wirksamkeit solcher Ansätze kann v.a. aus methodischen Gründen noch nicht abschließend eingeschätzt werden (Alberqa et al., 2016; Lee et al. 2014). Empfohlen wurden zusätzliche Wirksamkeitsbelege an großen, bevölkerungsrepräsentativen Stichproben, letztlich mit dem Ziel, das Adipositasstigma gesamtgesellschaftlich zu verringern (Ramons et al., 2017; Puhl et al., 2017).

Deutlichere Wirksamkeitsbelege wurden für umfangreichere, kombinierte Stigmareduktionsprogramme gefunden, die die komplexen Ursachen  der Adipositas aufzeigten (z.B. Genetik, psychosoziale und soziokulturelle Ursachen) und die Begleiterscheinungen von Stigmatisierung für die Betroffenen erläuterten (z.B. Hilbert, 2016). Eine Verringerung von stigmatisierenden Einstellungen konnte auch mehrere Wochen nach Programmteilnahme gezeigt werden. Jedoch ist bislang wenig bekannt zu möglichen Nebenwirkungen solcher Stigmareduktionsprogramme (Hoyt et al., 2017). So führte ein kombiniertes Stigmareduktionsprogramm zwar zu einer Verringerung individueller Ursachenzuschreibungen (d.h. internaler Kausalattributionen), aber auch zu einer Verstärkung der Einstellung, die Adipositas sei genetisch festgelegt, sodass es keine Möglichkeit gäbe, dieser durch gesundheitsförderliches Verhalten vorzubeugen (Hilbert, 2016).