Stigmatisierung in den Medien

Bei der Verbreitung und Aufrechterhaltung von gewichtsbezogener Stigmatisierung kommt den Unterhaltungs-, Informations- und sozialen Medien eine zentrale Rolle zu (Stanford, Tanqeer, & Kyle, 2018). Massenmedien wie Fernsehen, Internet, Radio und Zeitungen beeinflussen maßgeblich die Einstellung und Meinung der Gesellschaft gegenüber bestimmten Themen, Personen oder Personengruppen, so auch gegenüber Menschen mit Adipositas. Sowohl in Unterhaltungsmedien für Erwachsene als auch in denen für Kinder werden normalgewichtigen und dünnen Charakteren meist wünschenswerte Eigenschaften und dominante, zentrale Rollen zugeschrieben, wohingegen Charaktere mit Adipositas selten vertreten sind. In Unterhaltungssendungen werden Charaktere mit Adipositas eher in Nebenrollen dargestellt, mit negativen Eigenschaften besetzt (z.B. aggressiv) und mit stereotypem Verhalten gekennzeichnet (z.B. Essen großer Mengen ungesunder Nahrung; Puhl & King, 2013; Puhl & Suh, 2015). Personen mit Adipositas werden weniger häufig als Personen mit Normalgewicht in romantischen Beziehungen gezeigt, sondern sind wahrscheinlicher Gegenstand von Humor und Spott (Eisenberg et al., 2015). Die Untersuchung von Kindervideos und –büchern ergab, dass schlanke weibliche Charaktere meist mit wünschenswerten Eigenschaften wie Freundlichkeit, Nettigkeit, Erfolg und Beliebtheit porträtiert werden, wohingegen Charaktere mit Adipositas selten in Beziehungen mit Normalgewichtigen gezeigt werden und häufig als unattraktiv, wenig intelligent, unglücklicher und unbeliebter, teilweise auch als böse und grausam beschrieben werden. Dies kann dazu beitragen, dass bereits im Kindesalter gewichtsbezogene Stereotype und Vorurteile ausgebildet oder verstärkt werden (Puhl & Suh, 2015).

Eine Untersuchung zur Mediendarstellung der Adipositas in deutschen Printmedien zeigte in überregionalen Zeitungen eine vollständigere und mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechende Berichterstattung über die Adipositas als in der Boulevardberichterstattung, während regionale Tageszeitungen eine Mittelstellung einnahmen (Hilbert & Ried, 2009). Überregionale Tageszeitungen schrieben jedoch vergleichsweise häufiger die Verantwortung z.B. für fehlgeschlagene Behandlungsversuche den Betroffenen mit Adipositas selbst zu. Während sich die Anzahl stigmatisierender Aussagen zwischen den Zeitungstypen nicht unterschied, waren stigmatisierende Aussagen in der Boulevardberichterstattung extremer und stärker personalisiert gestaltet. Insgesamt wies also die Berichterstattung zur Adipositas in deutschen Tageszeitungen inhaltliche Mängel und die Tendenz zu einer abwertenden Darstellung auf, die dazu beitragen könnten, das Adipositasstigma aufrechtzuerhalten. Untersuchungen im amerikanischen Raum zeigten, dass mehr als 70% der bildlichen Darstellungen von Menschen mit Adipositas stigmatisierenden Charakter aufweisen, d.h. diese werden häufiger als normalgewichtige Personen sitzend, essend, trinkend bzw. mit Fokus auf die unteren Körperregionen gezeigt (Puhl & King, 2013). In der Berichterstattung ging ein Fokus auf die alleinige Verantwortung der Betroffenen für ihr erhöhtes Gewicht mit einer Verstärkung gewichtsstigmatisierender Einstellungen einher (Couch et al., 2015). Als Reaktion auf derartige Berichte konsumierten Menschen mit Adipositas weniger Informationsmedien und hatten damit auch weniger Zugang zu gesundheitsrelevanten Inhalten.

Auch in der Werbung werden Menschen mit Adipositas stigmatisiert. Wenn für Produkte geworben wird, tun dies in der Regel gut aussehende und perfekt zurechtgemachte, durchtrainierte, sehr schlanke Models und keine Menschen mit Gewichtsproblemen. Dies kann nicht nur dazu führen, dass sich die meisten Menschen wünschen, dünn und attraktiv und nicht übergewichtig zu sein, sondern auch dazu, dass sich – nicht nur Menschen mit Adipositas, sondern auch Menschen mit Normalgewicht – zu dick fühlen, was wiederum Essstörungssymptome begünstigt (Puhl & Suh, 2015). Zusätzlich suggeriert Werbung für gewichtsreduzierende Programme, dass das Gewicht leicht zu kontrollieren und zu verändern sei, und einfach nur von der persönlichen Anstrengung abhänge. Dies unterstreicht die größtenteils fehlerhafte Annahme, Menschen mit Adipositas hätten ihr Gewicht selbst in der Hand und trügen deshalb selbst die Schuld an ihrem Übergewicht.

Durch die negative Darstellung von Menschen mit Adipositas sowie durch die Idealisierung von Unter- und Normalgewicht können Film, Fernsehen, Print- und Internetmedien zur Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas beitragen.